Interview – „Der beste Abfall ist der, der gar nicht entsteht.“ – Michael Potthast, Werkleiter der Mainzer Entsorgungsbetriebe
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Interview – „Der beste Abfall ist der, der gar nicht entsteht.“ – Michael Potthast, Werkleiter der Mainzer Entsorgungsbetriebe

Der beste Abfall ist der, der gar nicht entsteht.

Michael Potthast

NE: Hallo Herr Potthast, eine lockere Frage zum Einstieg: Was wollten Sie als Kind mal werden?

MP: Mein Name ist Michael Potthast, ich bin Wirtschaftsingenieur. Als Kind wollte ich Lokführer werden und jetzt führe ich auch etwas, nur keine Lok, sondern einen Betrieb mit sehr vielen Rädern, den Mainzer Entsorgungsbetrieb.

Im Studium in Kaiserslautern hatte ich mich mit den damals neuen Entsorgungslogistiktechniken beschäftigt und bin dabei geblieben. Ich war zehn Jahre in der Privatwirtschaft, dann zehn Jahre in Ulm, wo ich den dortigen kommunalen Betrieb leiten durfte, ehe meine Frau und ich uns unseren Lebenstraum erfüllten und drei Jahre Segeln gingen.

NE: Das ist ja spannend. Wow, haben Sie die ganze Welt umsegelt?

Wir haben die meiste Zeit im Mittelmeer verbracht. Wir waren früher schon mal gesegelt, so zwei Wochen unterwegs gewesen. da hat man aber gar nichts gesehen, bevor man richtig im Urlaub ankam, war er schon fast wieder zu Ende. Da haben wir uns gesagt: Irgendwann machen wir das mal richtig.

Viele nehmen sich das vor, wollen es in der Rente machen… Man findet immer Dinge, die einen aufhalten.

Wir haben also gespart und geguckt und gemacht und dann haben wir alles aufgegeben, Job gekündigt, Auto verkauft. Ich kann nur jedem empfehlen, solch eine Erfahrung zu machen. Man lernt mit sehr wenig auszukommen und beginnt Vieles zu Hinterfragen.

Muss unser Leben so sein? Reicht nicht auch viel weniger?

Aber dann ist man auch schnell wieder drin. Jetzt hat es uns nach Mainz verschlagen. Neue Wohnung, neues Auto steht vor der Tür. Seit dem 1. Juli bin ich in Amt und Würden und versuche die Stadt und die Leute besser kennenzulernen. Unter den Corona-Bedingungen war das auch für mich nicht ganz einfach. Wir hatten seither keine Betriebsversammlung, viele kennen mich nur aus der Kantine oder vom Vorbeilaufen.

NE: Was leisten die Entsorgungsbetriebe alles für die Mainzer Bürger?

MP: Die Entsorgungsbetriebe machen bei uns die Straßenreinigung, die Müllabfuhr, sie verwalten einen Teil des städtischen Fuhrparks und wir sammeln die Abfälle im Landkreis.. Wir haben 580 Mitarbeiter und man kennt uns für den Umweltladen und das Umweltbildungszentrum in Weisenau. Wir versuchen die Bürger schon im Kindesalter abzuholen, mit diesen außerschulischen Lernorten. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Der Umweltladen ist jetzt wieder geöffnet und hat ein interessantes pädagogisches Angebot, beispielsweise zum Thema Upcycling. Lohnt sich!

NE: Weihnachten steht vor der Tür, welche besonderen Herausforderungen gibt es gerade?

MP: Da wir uns um die Stadtsauberkeit kümmern, haben wir aktuell Laub, Laub und noch mehr Laub einzusammeln. Jetzt geht es los mit dem Winterdienst*, damit wir bei Schneefall und Eis die Straßen verkehrssicher halten können. Am Wochenende setzen wir jetzt auch schon mal ein Team in Bereitschaft, falls es wirklich ein paar Schneeflocken geben sollte. Das weiß man vorher nicht, aber man muss sich darauf vorbereiten.

NE: Gerade im Hinblick auf Weihnachten, wie trennt man Geschenkpapier richtig?

MP: Geschenkpapier, auch wenn da mal ein Tesafilm-Streifen dran ist, darf in die Papiertonne kommen. Schleifen aus Folie oder ähnliches bitte in den gelben Sack. Das Papier geht vollumfänglich an einen Papierhersteller und wird aufbereitet. Man unterscheidet verschiedene Typen von Papieren und Kartonagen, die getrennt aufbereitet werden können. Das Papier wird in seine Fasern zerlegt und Verunreinigungen wie Büroklammern herausgewaschen. Papier ist ein Rohstoff, ein Handelsgut und die Kosten der Entsorgung tragen sich selbst. 90 bis 95 Prozent des Materials werden im Kreislauf geführt, also ist der Bedarf an Holz tatsächlich gering.

Was uns beschäftigt, wenn es auf Weihnachten zugeht, da fällt deutlich mehr Papier an – der Online-Handel mit den ganzen Kartons lässt grüßen. Viele falten ihre Kartons nicht und die Container laufen über oder sie stellen sie nur daneben, auf den Boden, wo sie dann über Nacht durchweichen und aufreißen, wenn unsere Kollegen sie aufheben müssen.

Wenn man mal einen Karton aufheben muss, ist das okay. Wenn man das Hunderte Male am Tag machen muss, dann noch der Boden durchreißt, das geht sehr ins Kreuz, in die Gelenke, das merken wir an den Langzeitfolgen unserer Kollegen.

Es passt sehr viel in die Container rein, wenn man die Kartons klein macht. Wenn sie merken, das Volumen reicht vorne und hinten nicht, dann einfach mal anrufen, wir prüfen und stellen auch gerne mal zusätzlich eine Tonne. Das ist bei Papier kein Problem, kostet einmalig Aufstellungsgebühren und dann war es das.

NE: Wir haben immer wieder Probleme mit Bewohnern, die ihre Abfälle nicht trennen. Wie wichtig ist die korrekte Trennung tatsächlich? Man hört ja auch immer wieder, der Müll würde ohnehin verbrannt und Trennen sei sinnlos.

MP: Gerade die Sortierung der Biotonne bereitet scheinbar Probleme, sehr häufig finden wir Verpackungen im Biomüll und bei solch einer Fehlbefüllung verunreinigt das den Kompost, der aus dem Biomüll gewonnen wird. Wir haben nun schon häufig Tonnen nicht geleert und bewusst stehengelassen, haben Informationsmaterial verteilt, die Anwohner angeschrieben und wenn die Verschmutzung ein drittes Mal vorkommt, auch die Tonnen abgezogen. Dann sind die erst einmal weg, wir hoffen, damit Lerneffekte zu erzielen. Wir stellen dann stattdessen Restmüllcontainer hin und die kosten dann Geld.

Wir hören häufig die Frage: Wie gut wird das eigentlich sortiert, das landet doch eh in einem Fahrzeug?

Wer genau hinguckt, sieht, dass das Fahrzeug hinten zweigeteilt ist und sehr wohl getrennt wird. Die unterschiedlichen Wege von gelben Säcken, Bio-, Papier- und Restabfällen werden streng eingehalten. Wir sind da sehr strengen gesetzlichen Auflagen unterworfen und es gibt zudem wirtschaftliche Anreize, das auch einzuhalten.

Bioabfall ist komplexer. Im Grunde kann alles Organische rein. Das geht bei uns in die Kompostierungs- und Vergärungsanlage in Essenheim. Die Biomasse erhitzt sich bei der Zersetzung auf 60-70 Grad. Die Organismen werden abgetötet und was hinten raus kommt, nach 4-6 Wochen Kompostierung, ist hochwertiger Dünger, da er natürlichen Phosphor beinhaltet. Ein begrenztes Gut. Es lohnt sich also Bioabfall zu trennen und die Rohstoffe richtig zu Nutzen um Dünger und Energie zu gewinnen. Werfe ich die Biomasse in unsere Mainzer Restmüllverbrennungsanlage senke ich aufgrund des Wassergehalts den Brennwert der Energiegewinnung, die Rohstoffe gehen verloren und die Verarbeitung verursacht unnötige Mehrkosten. Die Verbrennung ist auch nicht C02-Neutral.

Der gelbe Sack wird nicht verbrannt, er muss in die Sortierung, man muss gewisse Quoten heraus sortieren, das ist gesetzlich vorgegeben. Die Hersteller der Plastikverpackungen stehen in der Verantwortung, da sie die Verpackung in Umlauf bringen, mussten Sie Rücknahmesysteme gründen, diese organisieren und finanzieren. Benutze ich den gelben Sack falsch, erhöht das indirekt die Kosten, die ich beim Einkauf neuer, verpackter Ware zahle. Man muss die Verpackungen nach Material trennen, etwa die Deckel von Joghurtbechern ganz abziehen und darf sie nicht ineinander stecken.

*Gekürztes und bearbeitetes Interview, durchgeführt von Norman Eschenfelder am 25. November.

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